Schulwoche 6

Kill List, Kernkraft und Kulturkritik

Dec 21, 2025

Lesezeit

5 Min

Von

Florin Schranz

Die Zukunft des Schweizerjournalismus – die Jouschus – kehren zurück in die Römerhalde, ganz so, als würden die griechischen Gottheiten nach dem Krieg gegen die Titanen auf den Olymp heimkehren. Der heutige Kampf der Jouschus richtet sich jedoch nicht gegen Götter, sondern gegen die kurze Aufmerksamkeitsspanne der TikTok-Generation und den grassierenden Brainrot.

Tag  1 und 2: Podcasts

Und kein Medium befriedigt diese unruhigen Gehirne besser als der Podcast.

Man hört ihn beim Putzen, beim Autofahren oder beim Sport und bedient damit beschallungshungrige Gehirne. Wenige Schweizerinnen kennen dieses Medium besser als Franziska Engelhardt.

Franziska Engelhardt ist Audioproduzentin mit Schwerpunkt dokumentarisches Storytelling. Nach langjähriger Tätigkeit im Journalismus produziert sie seit 2018 Podcasts – freiberuflich bei Elephant Stories und als Senior Producer bei der Podcast-Schmiede. Sie lehrt und coacht an ZHdK, Ringier und Tamedia und forscht zur deutschsprachigen Podcast-Landschaft. Sie erklärt uns ihren Fokus auf das Potenzial von Audio als Hörerlebnis: geeignete Podcast-Geschichten erkennen, mit wenig Material kreativ viel erzählen, passende Erzählweisen wählen und Zusammenarbeit im Storytelling gestalten.

Sie zeigt eigene Beispiele und wie man wie sie mit Mindmaps arbeitet und den Überblick behält. Sie spricht über Sog und gute Geschichten. Besonders wichtig im Podcast, wo die gesprochene Dramaturgie einen Sog entwickelt, den man in Textformaten wie – um ein völlig an den Haaren herbeigezogenes Beispiel zu nennen – einem Blogbeitrag nur schwer erreicht. Sie zeigt Praxisbeispiele aus ihrem Alltag. Besonders hängengeblieben ist ihre Zusammenarbeit im Podcast Kill List, wo sie einer „not surprised" Schweizerin, in Zusammenarbeit mit Londoner Journalisten, eröffnet, dass die Frau auf einer Tötungsliste steht und ihr Ex-Mann Geld bezahlt wurde, um sie zu töten. Dem Mann, man würde ihn in Londoner Dialekt wohl eine «Cunt» nennen, erhielt 10 Jahre Gefängnis dafür. – Sehr spannend.

Am zweiten Tag hatten wir Zeit, eigene Ideen zu entwickeln und im Anschluss unseren eigenen Podcast zu pitchen und dann eine Pilotfolge bis im Juni zu produzieren und zu präsentieren. Wir wurden von Franziska Engelhardt und Peter Hossli, aber auch im Plenum mit anderen Jouschus, tatkräftig unterstützt. Das Resultat war eine sehr breite und sehr überzeugende Reihe an Ideen.

Alle Gruppen zeigten Kreativität und Engagement und einige der vorgestellten Podcasts sollen bei Ringier gepitcht werden.

Tag 3:  Gespaltene Meinungen und Atome 

Von der «schmutzigen Energie» zum Aha-Erlebnis: Am Mittwoch blickte unsere Klasse hinter die Kulissen der Schweizer Kernenergie. Was als gewöhnliche Exkursion begann, endete in einer hitzigen Debatte über die Zukunft unserer Stromversorgung.

Der Morgen startete spektakulär: Wir erhielten eine Führung durch das Kernkraftwerk Gösgen, die weit über das Standardprogramm für Besucher hinausging. Wir durften Bereiche besichtigen, die normalerweise streng abgeschirmt sind. Begleitet von erfahrenen Tourguides, die uns mit Fakten zur Kernspaltung und Anlagensicherheit versorgten, konnten wir die gewaltige Technik aus nächster Nähe bestaunen. Danach durften wir den Leiter Herbert Meinecke treffen, der sich freundlicherweise die Zeit nahm, uns alle Fragen zu beantworten, die wir hatten.

 Viele von uns – mich eingeschlossen – sind mit dem Bild der Atomkraft als einer bedrohlichen, «schmutzigen"»Technologie aufgewachsen. Doch die Realität vor Ort löste bei einigen eine Art Erweckungsmoment aus. Wenn man die riesigen Turbinen sieht und versteht, wie emissionsfrei diese gewaltigen Strommengen produziert werden, beginnt man zu zweifeln: Ist die Kernkraft vielleicht doch ein notwendiger Teil der Lösung für unsere Klimaprobleme? Die Tour hinterliess jedenfalls viele strahlende :) Gesichter und eine Menge Gesprächsstoff.

Um das Erlebte einzuordnen, organisierten Anna-Clara Kohler und Maria-Rachel Cano am Nachmittag ein hochkarätig besetztes Podium.

Petrus Papadopoulos: Präsident der Schweizerischen Gesellschaft der Kernfachleute.

Rudolf Rechsteiner: Ehemaliger SP-Nationalrat und Verfechter der Energiewende.

Prof. Horst-Michael Prasser: Emeritierter Professor der ETH Zürich.

Die Diskussion war so geladen wie die Teilchen im Reaktor. Es wurde hitzig debattiert, man bezichtigte sich gegenseitig der Fehlinformation, fand aber in Detailfragen auch überraschende Konsense. Besonders beeindruckend war die Moderation durch Maria-Rachel Cano: Trotz der emotionalen Debatte behielt sie jederzeit die Kontrolle und führte souverän durch das Gespräch.

 Der Tag hat gezeigt, dass Energiepolitik mehr ist als nur Schwarz-Weiss-Denken. Ob man die Kernkraft nun als Brückentechnologie oder als Auslaufmodell sieht – der direkte Einblick in Gösgen hat uns geholfen, eine eigene, fundierte Meinung zu bilden oder alte Meinungen zu überdenken. 

Tag 4: Investigative Recherche

Am Donnerstag führte uns der investigative Reporter Thomas Knellwolf – bekannt für seine Enthüllungen zum «Unterschriften-Bschiss» und preisgekrönt mit dem Swiss Press Award 2025 – in sein anspruchsvolles Handwerk ein. Er zeigte auf, dass grosse Enthüllungen kein Zufall sind, sondern auf systematischer Netzwerkarbeit, Registerrecherchen und modernen OSINT-Tools basieren. Auch die Überwindung zum «Doorstepping», dem unangekündigten Besuch an der Haustür, gehört zur notwendigen Hartnäckigkeit. Knellwolf betonte zudem die Bedeutung einer sauberen Konfrontation als rechtliche Absicherung und mahnte zur Geduld: Tiefe Recherche braucht Zeit, doch am Ende zählt der Mut, die Fakten für die Öffentlichkeit transparent zu machen.

Ein menschliches Highlight des Tages war die Auflösung des Wichtelns, an dem auch Peter Hossli teilnahm: Björn Lindroos, dessen Model-Qualitäten in der Klasse unbestritten sind, erhielt passenderweise ein T-Shirt mit seinem eigenen Gesicht darauf.

Tag 5 Kulturjournalismus mit Nora Zukker

Zum Abschluss dieser ereignisreichen Woche besuchte uns Nora Zukker, Literaturredaktorin beim Tages-Anzeiger und zweifache «Kulturjournalistin des Jahres» (2023 und 2025). Mit ihrer aufgestellten Art und ihrem Optimismus motivierte sie uns als nächste Generation der Journalistinnen und Journalisten. Der Unterricht war interaktiv: Wir diskutierten über die Dos und Don’ts im Kulturjournalismus und lernten am Beispiel von Buchrezensionen der ZEIT, worauf es bei einer guten Kritik ankommt. Zukker war so überzeugend, dass selbst Mitschüler, die vorher wenig mit dem Thema anfangen konnten, nun über eine Karriere im Kulturbereich nachdenken.

Es war ein rundum gelungener Abschluss vor den Weihnachtsferien, den wir anschliessend bei einer kleinen Weihnachtsfeier mit Pizza und Drinks gemeinsam ausklingen liessen.

Unser Journalismus ist wahrhaftig und fair. Er hilft Bürgerinnen und Bürgern, ihr Umfeld und die Welt besser zu verstehen, Ereignisse einzuordnen, sich eine fundierte Meinung zu bilden und Entscheidungen zu treffen. Das gelingt, indem wir vertrauenswürdig informieren. Wir orientieren uns an Fakten und trennen klar zwischen Berichterstattung und Kommentar. Unser Journalismus ist unabhängig. Technologischen Entwicklungen stehen wir offen gegenüber.
Haben Sie Fragen, Anregungen oder Feedback.

Ringier Journalistenschule
Dufourstrasse 23
8008 Zürich

Ringier Journalistenschule 2025©

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